Geschichte des Pferdebestandes

„Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen.“ (Winston Churchill)

Getreu diesem Motto hat sich die Reiterstaffel Hannover mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigt, in der festen Überzeugung, dass das Pferd als Einsatzmittel auch in der Zukunft seinen Platz in der Polizei haben wird. Der folgende Rückblick dreht sich um die Entwicklung der berittenen Polizei in der Landeshauptstadt Hannover.


DER ANFANG


Die Zeit der berittenen Polizei in Hannover reicht zurück bis in das beginnende 19. Jahrhundert. Nach der Niederlage Napoleons I kam es auf dem Wiener Kongress zur Neuordnung der Landkarte Europas. Dabei entstand im Jahre 1814 das Königreich Hannover als Nachfolgestaat für das von Napoleon aufgelöste Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg. Parallel dazu wurde in Hannover eine Ständeversammlung einberufen. Dabei handelte es sich um eine Zusammenkunft von Vertretern der Kirche und des Adels, aber auch einige Bürger der Städte und andere Nichtadlige waren zugelassen.

In der 30. Sitzung dieser Ständeversammlung fiel am 21. Januar 1815 folgender Beschluss: „Der gestern gemachte Vorschlag, wegen einer der Französischen Gendarmerie ähnlichen Einrichtung, wird angenommen.“ Damit wurde ein wesentlicher Schritt zur Modernisierung des Polizeiwesens im Königreich Hannover getan. Die neue Landpolizei nach französischem Vorbild wurde jedoch nicht Gendarmerie, sondern Landdragoner genannt. Ab dem 25. April 1815 regelte eine Anordnung des Prinzregenten Georg in 121 Paragraphen die Organisation und den Dienst der neuen Polizeieinheit. Daran ausgerichtet nahm das Korps ab dem 1. Mai 1815 seinen Dienst auf. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Einheit unter anderem 9 Offiziere und 238 Unteroffiziere - darunter 234 hoch zu Ross. Das Jahr 1815 gilt deshalb als die eigentliche Geburtsstunde der berittenen Polizei Hannover.


DIE LANDDRAGONER

Die Bezeichnung Gendarm wurde vor dem Hintergrund der gerade beendeten Besatzungszeit und der Abneigung gegen alles „französische“ in dieser Zeit absichtlich vermieden. Unter der Bezeichnung Landdragoner verstand man damals berittene Infanterieeinheiten, die ihre Pferde nicht für Kampfzwecke einsetzten.

Die neuen polizeilichen Landdragoner hatten Nachrichten über Verbrechen und Vergehen zu sammeln und weiterzugeben, aber auch selber Täter zu verfolgen und festzunehmen. Neben der Verfolgung von Straftaten kam ihnen die Aufgabe zu, Unruhen innerhalb der Bevölkerung, so genannte Zusammenrottungen, zu zerstreuen. In diesen Fällen sollten sie auch ihre Waffen einsetzen dürfen, aber ausschließlich zur Abwehr von Gewalttätigkeiten oder aufgrund eines ausdrücklichen Befehls der höheren Vorgesetzten.
Die Landdragoner waren de facto Soldaten, wie ihre französischen Vorbilder, und die Zivilbehörden konnten ihnen nur für einzelne polizeiliche Tätigkeiten Anweisungen erteilen.

Aufgrund dieser Nähe zum Militär wurden die Angehörigen des Korps vorzugsweise aus den Reihen der Soldaten gewonnen. Die Voraussetzungen für den Dienst bei den Landdragonern waren aber trotz dieser militärischen Prägung den Einstellungsvoraussetzungen der heutigen Polizei nicht unähnlich. So heißt es im Reglement: „Sie müssen zwischen 20 und 40 Jahr alt, von guter Gesundheit, einem kräftigen Wuchse und nicht unter 5 Fuß 6 Zoll groß sein; sie müssen fertig lesen und schreiben können, den unverletzten Ruf der Treue, Ehrlichkeit, Nüchternheit und eines untadelhaften Lebens haben, auch wegen eines Verbrechens nicht bestraft worden sein, ...“

Interessanterweise musste der zukünftige Landdragoner eine vorgegebene Geldsumme zum Dienstantritt mitbringen, die dann in einen Fond zum Unterhalt der Korps eingezahlt wurde. Wer diesen Betrag nicht aufbringen konnte, dem wurde er vorfinanziert. Die Landdragoner waren in den sieben Verwaltungsbezirken stationiert, die im Königreich Hannover Landdrosteien genannt wurden. Die Größe eines solchen Bezirks entsprach der Größe mehrerer Landkreise von heute und Herr über eine Drostei war der Drost (den ehemaligen Regierungspräsidien ähnlich).

Die wohl erfolgreiche Arbeit der Landdragoner bei der Kriminalitätsbekämpfung spiegelt sich in einem Handbuch der Geographie und Statistik von 1819 wider. Darin heißt es: „Die königlichen Landdragoner, die den Dienst der Gens’darmen verrichten und die öffentliche Sicherheit beschützen,... Sie haben seit ihrer Einrichtung vom 1. Aug. 1815 bis Ende März 1817, 4414 Straßenräuber, Mörder, Diebe, Deserteurs, Vagabunden und andere verdächtige Personen arretiert.“

Die Geschichte der Landdragoner setzte sich fort und 1822, sieben Jahre nach ihrer Gründung, wurde beschlossen, das Korps auf 320 Mann aufzustocken. Dafür wurde das Reglement von 1815 überarbeitet. In diesem Schriftstück (siehe Grafik) wurde die Organisation des gesamten Korps – von der Aufgabenverteilung über die Besoldung, bis hin zur vorgeschriebenen Futtermenge für die Dienstpferde, detailliert aufgelistet.

Als Wilhelm IV, der König von Großbritannien und Irland, 1837 starb und seine Nichte Victoria in England den Thron bestieg, nahm damit die Entwicklung des Königreiches Hannover eine neue Wendung. Die Erbfolgegesetze von Hannover ließen keine Frau als Regentin zu, so dass ihr Onkel, der Herzog von Cumberland, als Ernst August I neuer König von Hannover wurde. Damit endete eine 123-jährige Personalunion in der Regentschaft zwischen Großbritannien und Hannover.


AUS LANDDRAGONERN WERDEN LANDGENDARME

Ein Jahr später, 1838, wurde noch die Bezeichnung der berittenen Polizeieinheiten von Landdragoner in Landgendarmerie geändert. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise lag es in des Königs Bewunderung für den großen Nachbarn Preußen. Dort hießen die Landpolizeieinheiten schon seit ihrer Gründung Gendarmerie. Mit dieser Veränderung ging wiederum eine Aufstockung des Korps einher, das 1842 eine Stärke von 399 Mann und 178 Pferde hatte. Allein in der Stadt Hannover waren jetzt 17 Mann und 16 Pferde stationiert.


HANNOVER WIRD TEIL VON PREUSSEN

Im so genannten „Deutschen Krieg“ zwischen Preußen und dem Deutschen Bund unter Führung Österreichs stand Hannover auf der Seite des Verlierers Österreich. Die hannoversche Armee kapitulierte im Juni 1866. Preußen entthronte daraufhin das hannoversche Königshaus und annektierte das Land Hannover und machte es zu einer seiner Provinzen. Ein Gesetz, dass 1866 die Vereinigung des ehemaligen Königreichs Hannover mit der Preußischen Monarchie regelte, passte auch die Gendarmerie an die neuen Verhältnisse an.

Aus dem nun in der Provinz Hannover geltenden Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 wurde das Verständnis von Polizei übernommen. Die Definition kommt den heutigen Vorstellungen von den Aufgaben einer Polizei schon sehr nahe. Wörtlich heißt es dort: „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern derselben bevorstehenden Gefahr zutreffen, ist das Amt der Policey“. (Mit Publico ist die Öffentlichkeit gemeint)

In der neuen preußischen Provinz, in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern, wurden nach dem Vorbild Berlins Polizeieinheiten als königliche Schutzmannschaften eingerichtet. Allerdings waren die großen Polizeipräsidien und Polizeidirektionen nicht wie in Berlin direkt dem Innenministerium unterstellt, sondern dem jeweiligen Regierungspräsidenten. Eine organisatorische Regelung, die grundsätzlich bis zur Auflösung der Bezirksregierungen im Jahr 2004 in Niedersachsen Bestand hatte. Seither gibt es in unserem Land sechs große Polizeidirektionen, die dem Landespolizeipräsidium im niedersächsischen Innenministerium nachgeordnet sind.

Die Wahrnehmung von Sicherheits- und Ordnungsaufgaben im Stadtgebiet Hannover durch berittene Schutzmänner der Schutzmannschaft – daher rührt die klassische Bezeichnung für einen Polizisten – wurde bereits um das Jahr 1900 fotografisch festgehalten. Einige dieser Bilder sind uns erhalten geblieben.


LANDGENDARME ALS MILITÄRPOLIZEI

Die Nähe der Gendarmerie im Kaiserreich zum Militär wurde auch dadurch deutlich, dass die berittenen Landgendarmen regelmäßig an Manövern des Heeres teilnahmen. Im Kriegsfall wurden sie sogar als Feldgendarme eingesetzt. Die Feldgendarmerie hatte als Militärpolizei die Ordnung in der Armee zu bewahren. Sie fand aber in militärisch besetzten Gebieten auch als Besatzungspolizei Verwendung.

Reiter- und Diensthundführerstaffel

Am Welfenplatz 1a
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Tel.: 0511 109-1903
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